Darf man jemanden aus Steuergründen adoptieren?

Verschenkt oder vererbt man Vermögen an sein Kind, hat das Kind einen Steuerfreibetrag von 400.000 Euro und der darüber hinaus gehende Betrag wird in der günstigsten Steuerklasse I versteuert (also mit 7% aufwärts). Existieren keine leiblichen Kinder und wird das Vermögen daher an entferntere Verwandte (Geschwister, Neffen, Nichten, Cousins, Stiefkinder etc.) oder Freunde vererbt, sieht es dramatisch schlechter aus: Nur 20.000 Euro sind steuerfrei. Alles darüber wird mit – je nach Verwandtschaftsgrad und Vermögenshöhe – mit 15, 30 oder gar satten 50 Prozent besteuert (Details zur Erbschaftssteuer und den Freibeträgen in der Broschüre „Fakten zum Erbrecht“ hier).

Für wohlhabende Personen ohne eigene Kinder ist daher der Gedanke verlockend, denjenigen, den man als Erben einsetzen möchte, zu adoptieren. Dann hätte der Adoptierte die selben Rechte wie ein leibliches Kind, auch im Steuerrecht. Eine solche Adoption eines Erwachsenen ist im Prinzip durchaus möglich (§ 1767 Abs. 1 BGB). Zusätzlich zu den allgemeinen Grundvoraussetzung einer jeden Adoption (siehe §§ 1741 ff BGB) muss die Adoption eines Erwachsenen „sittlich gerechtfertigt“ sein. Eine klassische Generalklausel, die von den Gerichten mit Inhalt gefüllt werden muss. Zumindest in Bayern prüfen die Gerichte die Voraussetzungen relativ streng. Die finanziellen / steuerlichen Motive dürfen nicht im Vordergrund stehen, sondern das Gericht muss davon überzeugt werden, dass tatsächlich eine Eltern-Kind-Beziehung besteht oder zumindest entstehen wird. Das Oberlandesgericht München lehnt einen Antrag auf Volljährigenadoption regelmäßig ab, wenn die finanzielle Absicherung der Anzunehmenden im Vordergrund steht:

„Gemäß § 1767 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist. (§ 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB). Andernfalls muss bei objektiver Betrachtung bestehender Bindungen und ihrer Entwiklungsmöglichkeiten das Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung für die Zukunft zu erwarten sein (vgl. BayObLG FamRZ 2005, 546 mwN). Für die sittliche Berechtigung der Adoption kommt es vorwiegend auf die Herstellung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses, eines sozialen Familienbands an, das seinem ganzen Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt ist. Andere, nicht familienbezogene, vor allem wirtschaftliche Motive dürfen nicht ausschlaggebender Hauptzweck der Adoption sein (BayObLG aaO). Die Voraussetzungen für die Adoption eines Volljährigen müssen positiv festgestellt werden. Wenn nach der Abwägung aller in Betracht kommender Umstände begründete Zweifel verbleiben, ob die beantragte Adoption sittlich gerechtfertigt ist, muss der Adoptionsantrag abgelehnt werden (OLG München MDR 2009, 333; OLG Köln FGPrax 2007, 121; BayObLG FamRZ 1996, 183). Das Vorliegen von Indizien für eine Eltern-Kind-Beziehung reicht nicht. Notwendig ist vielmehr, dass das Tatsachengericht die Überzeugung  gewinnt, dass ein solches Eltern-Kind-Verhältnis vorliegt oder entstehen wird.“

 

Rechtsanwältin Katrin Groll ist Partnerin der Kanzlei seit 2004 und vertritt Mandanten in allen Bereichen des Zivilrechts, insbesondere im Erbrecht und bei Zivilprozessen.