Der Beitrag „Kündigungsfristen im Arbeitsrecht“ gibt eine Übersicht über die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen. Aber noch wichtiger ist die Frage: Darf der Arbeitgeber überhaupt kündigen? Und warum gerade mir? Hier eine Einführung in die Regeln des Kündigungsschutzes und der Sozialauswahl in Deutschland.

I. Zunächst muss man zwei Kündigungsarten trennen:

(1) Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB), oft auch fristlose Kündigung genannt. Das sind Fälle, in denen sich der Arbeitnehmer einen groben Schnitzer geleistet hat, z.B. Diebstahl, Unterschlagung, Beleidigung des Chefs oder ähnliches. Ist der Verstoß gravierend, kann der Arbeitgeber unter Umständen ohne vorherige Abmahnung kündigen. Dann greift auch kein Kündigungsschutz. Eine solche außerordentliche Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, d.h. der Arbeitgeber darf (zum Beispiel nach einer Beleidigung durch den Mitarbeiter) nicht vier Wochen abwarten und dann doch noch fristlos kündigen. Er muss sich vielmehr innerhalb von zwei Wochen (ab Kenntnis aller wesentlichen Umstände) entscheiden, ob er diese scharfe Sanktion aussprechen will. Grund: Über dem Arbeitnehmer soll nicht Monate lang ein Damoklesschwert schweben, ob er nun gefeuert wird oder nicht; er soll spätestens nach zwei Wochen Klarheit haben.

(2) Die ordentliche Kündigung, also die „normale“ Kündigung, für die ein Arbeitnehmer laut BGB eigentlich keinen Grund braucht, sondern nur die Kündigungsfrist einhalten muss. Jedoch: Für Betriebe ab einer bestimmten Größe regelt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), dass der Arbeitgeber doch einen bestimmten sachlichen Grund für die Kündigung benötigt und zudem (bei betriebsbedingter Kündigung) unter den Arbeitnehmern denjenigen auswählen muss, den der Verlust des Arbeitsplatzes sozial am wenigsten hart trifft (sog. Sozialauswahl). Die Beweislast trägt der Arbeitgeber. Übrigens: Ganz willkürlich kann der Arbeitgeber aber auch in Kleinbetrieben nicht kündigen, da das Bundesverfassungsgericht 1998 entschied, dass im Arbeitsrecht immer ein sachbezogener, anerkennenswerter Grund vorliegen muss. Der Schutz durch das KSchG ist aber deutlich stärker.

II. Das Kündigungsschutzgesetz:

(1) Für welche Betriebe gilt es?

Bis zum 31.12.2003 war das Kündigungsschutzgesetz (schon dann) anwendbar, wenn ein Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigte. Azubis wurden nicht mitgezählt, Teilzeitbeschäftigte wurden anteilig (je nach Wochenarbeitszeit) mitgerechnet.

Seit der arbeitgeberfreundlichen Neuregelung zum 01.01.2004 gilt nun ein Schwellenwert von mehr als zehn Arbeitnehmern. Betriebe zwischen fünf und 10 Arbeitnehmern wurden also von der Politik bewusst aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetz herausgenommen. Warum diese Verschlechterung für Mitarbeiter in solchen kleinen Betrieben? Man befürchtete, dass ein Unternehmer mit fünf Arbeitnehmern selbst bei guter Auftragslage keinen sechsten Arbeitnehmer mehr einstellt (sondern lieber Überstunden machen lässt), weil der gesamte Betrieb durch den sechsten Mitarbeiter unter das Kündigungsschutzgesetz fällt und er den Arbeitnehmer später (wenn sich die Lage wieder verschlechtert) nicht mehr „los wird“.

Die (ungünstigere) Neuregelung gilt aber nur zu Lasten solcher Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag am oder nach dem 1.1.2004 begann; die anderen Arbeitnehmer haben Bestandsschutz, für sie gilt also das frühere, arbeitnehmerfreundlichere Recht weiter. Daraus resultieren verschiedene Fallgruppen:

– Beispiel 1: Ein Betrieb hat Ende Januar 2004 zehn Arbeitnehmer, davon waren fünf schon am 31.12.2003 beschäftigt, fünf wurden im Januar neu eingestellt. Ergebnis: Ende Januar 2004 genießt kein Mitarbeiter Kündigungsschutz. Die „alten“ fünf Mitarbeiter können sich nicht auf Bestandsschutz berufen, da sie ja auch nach früherem Recht keinen Kündigungsschutz hatten und das neue Kündigungsschutzrecht gilt ebenfalls noch nicht, da nicht mehr als zehn Mitarbeiter existieren.

– Beispiel 2: Im Januar 2004 existieren zehn Arbeitnehmer, sechs davon waren auch schon am 31.12.2003 beschäftigt. Hier behalten die „alten“ Arbeitnehmer ihren Kündigungsschutz. Die nach dem 1.1.2004 neu eingestellten Mitarbeiter haben (noch) keinen Kündigungsschutz, da (solange) der Betrieb nicht mehr als zehn Mitarbeiter hat.

– Beispiel 3: Im Januar 2004 hat der Betrieb elf Arbeitnehmer, davon sechs, die bereits am 31.12.2003 beschäftigt waren. Nun haben alle Kündigungsschutz. Trotzdem ist wichtig zu unterscheiden, wer Altarbeitnehmer und wer Neuarbeitnehmer war. Für die weitere Anwendbarkeit ergeben sich nämlich ganz unterschiedliche Folgen.

(2) Was sind nun die Folgen, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist?

Der Arbeitgeber kann dann nur wirksam kündigen, wenn diese Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Er benötigt also einen Kündigungsgrund und muss diesen vor Gericht beweisen. Es existieren drei Fallgruppen:

– personenbedingte Kündigung (z.B. lang andauernde Arbeitunfähigkeit)

– verhaltensbedingte Kündigung (also schuldhafte Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, wobei der Arbeitgeber in der Regel vorher abmahnen muss)

– betriebsbedingte Kündigung: hier muss der Arbeitgeber beweisen, dass dringende betriebliche Erfordernisse einen Personalabbau erfordern und er – falls mehrere Arbeitnehmer für die Kündigung in Betracht kommen – eine richtige Sozialauswahl getroffen hat (Details zur Punkteliste der Sozialauswahl hier: Punkteschemata Sozialauswahl)

(3) Gefahr Präklusionsfrist!

Besonders wichtig: Erhält ein Arbeitnehmer eine Kündigung, so muss er unbedingt rasch reagieren. Erhebt er nämlich nicht innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht, so gilt die Kündigung als wirksam (§ 4 KSchG). Versäumt er diese Frist,so ist seine Klage verspätet. Der Richter prüft dann gar nicht mehr inhaltlich, ob die Kündigung ausgesprochen hätte werden dürfen, sondern weist die Klage als verspätet zurück. Der Arbeitnehmer hat alle Rechte verloren.

III. Weitere Informationen in Broschüre des Bundesarbeitsministeriums

Eine sehr gut verständliche Broschüre zu allen Fragen des Kündigungsschutzes und der Sozialauswahl hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegeben. Kostenlos zu bestellen auf der Website des BMAS oder hier als PDF-Download Broschüre KSchG (Stand Mai 2008)

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