Na liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Sie schon schwanger oder üben Sie noch? Vertrauen Sie (vor allem die männlichen Kollegen) gar auf das Versprechen der Bundesregierung, dass man auch als Mann problemlos einige Monate zur Kindererziehung zuhause bleiben kann, ohne Einkommenseinbußen zu erleiden? Das schöne neue Elterngeld entlastet Sie ja, so dass Sie sich ganz Ihrem Sprößling widmen und Windeln wechseln lernen können. Von wegen! Die praktische Handhabung des Elterngeldes gegenüber Selbstständigen und Freiberuflern führt dazu, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen gar kein Kindergeld erhalten (bzw. nur den Minimalsatz). Es sei denn, man belügt die Elterngeldstelle, was mir allen Ernstes vom ZBFS (Zentrum Bayern Familie und Soziales) nahe gelegt wurde. Warum das so ist? Hier die Geschichte eines Vaters, der – naiv wie er damals noch war – nach der Geburt seines ersten Sohnes die ersten beiden Lebensmonate zuhause blieb und dachte, er bekäme Elterngeld.

Der Anfang war einfach. Auf der Seite www.elterngeld.bayern.de stellte ich online meinen Antrag, teilte mit, dass ich Partner einer Kanzlei mit drei Sozien bin und die ersten zwei Monate ab Geburt meines Kindes zuhause bleiben möchte. Den Richtlinien, die online verfügbar sind, hatte ich zuvor entnommen, dass das Elterngeld 67% des durchschnittlichen Monatseinkommens aus dem vorhergehenden Kalenderjahr beträgt (Website des BMFSFJ). Meinem Steuerberater hatte ich ein Extra-Honorar gezahlt, damit er die Berechnung ein Jahr früher erstellt, als für die Steuerbehörden nötig gewesen wäre.

Soweit alles prima. Die böse Überraschung kam dann allerdings – und zwar als ich längst zuhause war und Windeln wechselte – mit dem Bescheid des „ZBFS“. Sie hatten zwar zunächst 67% des Durschnittseinkommens angesetzt, mein Elterngeld betrug im Ergebnis aber dennoch nur 300 Euro (Mindestsatz). Was einem vorher niemand sagt: Die Eltergeldstelle – zumindest das ZBFS – rechnet die Einnahmen der Kanzlei gemäß vorläufiger BWA des Steuerberaters als „zugeflossenen Gewinn“ an. Das sind so viele logische Fehler, dass man im ersten Moment sprachlos ist. Also noch einmal ganz langsam (ich habe es nämlich zunächst auch für einen Scherz gehalten):

1) Das Elterngeld beträgt zwar zunächst einmal 67% des durchschnittlichen Gewinns aus dem der Geburt vorangegangenen Kalenderjahr.

2) Anzurechnen sind aber (so meint zumindest die ZBFS Oberpfalz) die Überschüsse der Kanzlei in den relevanten Monaten (hier die ersten beiden Monate ab Geburt) gemäß Betriebswirtschaftlicher Auswertung (BWA) des Steuerberaters. Das ist nämlich, laut Elterngeldstelle, der „zugeflossene Gewinn in diesen beiden Monaten“.

Der Versuch einer rationalen Argumentation:

Nun war ich noch guter Hoffnung, bei der ZBFS einen Menschen zu erreichen, bei dem man mit vernünftigen Argumenten durchdringt. Nach einem 85-minütigen Gespräch (kein Scherz) mit dem zuständigen Sachbearbeiter war ich eines Besseren belehrt. Mein Hinweis, dass Geldeingänge auf dem Kanzleikonto im Mai 2008 (Geburtsmonat meines Sohnes) und Juni 2008 ja nicht aus Anwaltstätigkeit im Mai und Juni resultieren, sondern aus früherer Arbeit, die nur eben jetzt erst bezahlt wird: fruchtlos. Mein Hinweis, dass rechnerische Überschüsse für Mai und Juni 2008 noch lange kein zugeflossener Gewinn sind, weil man ja vielleicht den Rest des Jahres Miese macht und somit vielleicht sogar ein Verlust für 2008 herauskommt: fruchtlos. Mein Hinweis, dass der Überschuss laut BWA für Mai und Juni 2008 ja gemäß Gewinnverteilungsschlüssel auf drei Sozien zu verteilen ist: fruchtlos. Zitat: „Ja wieso, da steht’s doch: Im Mai und Juni haben Sie doch einen zugeflossenen Gewinn von …“. Ich wusste nicht mehr, ob ich weinen oder lachen sollte.

Daher verlegte ich mich auf die Frage, wo es denn überhaupt stünde, dass bei Freiberuflern diese BWAs herangezogen werden müssten. Darauf habe ich bis heute noch keine Fundstelle genannt bekommen, obwohl mir mehrfach im Brustton der Überzeugung gesagt wurde: “ Doch, doch, das steht ganz klar in unseren Unterlagen.“ Sie dürfen raten, ob mein Wunsch, eine Kopie deser Unterlagen zu erhalten, von Erfolg gekrönt war.

Der Schriftwechsel:

Ich habe hierauf – schließlich hat man ja nicht ohne Grund Jura studiert – zwei längere Briefe an das ZBFS verfasst. Allerdings: Ich bin mit meiner rechtlichen Argumentation kläglich gescheitert (hatte aber im Ergebnis trotzdem Glück, s.u.). Wer sich für die Details interessiert, möge meine traurigen Versuche einer Überzeugungsarbeit selbst in Augenschein nehmen:

Mein erster Brief (zbfs_elterngeld_1_30juni2008)

Mein zweiter Brief (zbfs_elterngeld_2_22juli2008)

.

Die Rettung:

Unsere Kanzlei hatte im Juni 2008 überdurchschnittlich hohe Ausgaben für Marketing-Maßnahmen, Kanzleieinrichtungsgegenstände und sonstige ungewöhnliche Dinge, so dass – ganz überraschend – im Juni 2008 ein negatives Ergebnis entstand; das ZBFS würde sagen „ein im Juni 2008 zugeflossener Verlust“.

:-)

Somit war – auch nach der Logik des ZBFS – dann doch nichts mehr anzurechnen. Es blieb mir daher erspart, die schon vorbereitete Klage einzureichen. Schade eigentlich, weil mich die Argumentation des Gerichts schon sehr interessiert hätte.

Fazit:

Wer nicht zufällig (oder strategisch geschickt geplant) in den beiden Monaten seiner Elternzeit ein negatives Ergebnis in der BWA produziert, erhält schlicht und ergreifend KEIN nennenswertes Elterngeld, sondern nur den Mindestsatz von 300 Euro. Und meistens kommt diese Nachricht überraschend, da man von dieser (meines Erachtens völlig unlogischen) Anrechnungsklausel nirgendwo etwas lesen kann und der Bewilligungsbescheid erst zugeht, wenn man längst zuhause ist (der Antrag auf Eltergeld kann nämlich erst nach Geburt gestellt werden und hat eine Bearbeitungsdauer von gut vier bis sechs Wochen).

Das passiert, wenn man Beamte Förderprogramme für Freiberufler umsetzen lässt. In Bayern sagt man: „Do feits vom Boa weg“ (Hochdeutsch: „Da fehlt es bereits am Verständnis der elementaren Grundlagen“).

.