Scheinbar haften Ärzte, Architekten, Steuerberater und Anwälte gerne für die Fehler anderer. Anders ist folgendes Phänomen schwer zu erklären: Da schafft der Gesetzgeber eine unkomplizierte Möglichkeit für Freiberufler, ihr persönliches Haftungsrisiko zu beschränken – und fast niemand macht es. Die 1994 ins Leben gerufene Partnerschaftsgesellschaft (übrigens nicht zu verwechseln mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Familienrecht) verhindert, dass Angehörige Freier Berufe für Fehler der Kollegen in ihrer Praxis mithaften müssen. Seltsam ist: Die wenigsten nutzen diese Chance.  (…)

Im Juni 2003 – also zehn Jahre nach Einführung des Gesetzes – wandelten wir unsere Kanzlei Graf & Partner von einer Sozietät in eine Partnerschaftsgesellschaft um und erhielten vom Partnerschaftsregister die Nummer 438. Innerhalb von zehn Jahren hatten also von allen Anwälten, Ärzten, Architekten, Physiotherapeuten, Publizisten, Consultants und Steuerberatern in der Großstadt München gerade mal 437 diese Möglichkeit genutzt. Schwer nachvollziehbar, da die Partnerschaft ausschließlich Vorteile bringt und – außer minimalen Kosten für die Registeranmeldung – keinerlei Nachteile hat. Weitere fünf Jahre später sieht es nicht viel besser aus, die PartG fristet weiterhin eine unverdiente Nischenexistenz. Deshalb heute ein Plädoyer für das zu Unrecht ignorierte Mauerblümchen.

Warum nicht die gute alte GbR?

Die Partnerschaftsgesellschaft leidet unter dem Fahrradhelm-Effekt: Alle sind sich einig, dass ein Radhelm nützlich und empfehlenswert ist. Dennoch: Nur wenige tragen einen. Auf die Frage, warum sie noch GbR sind, antworten Freiberufler meistens:

– „Die Rechtsform kannte ich gar nicht“ (Frage an die Anwaltskollegen: Weisen etwa zu wenige Anwälte die Mandanten auf diese Rechtsform hin? Das kann meines Erachtens sogar ein Haftungsfall für den beratenden Anwalt sein.)
– „Wir sind gut. Bei uns passieren keine Haftungsfälle“
– „Außerdem sind war ja schließlich versichert“

Und schließlich (vor allem von Ärzten hört man das oft):

– „Auf unserem Praxisschild steht schon so viel drauf, da haben wir für den Zusatz Partnerschaftsgesellschaft keinen Platz mehr. Außerdem klingt Gesellschaft so nach Kapitalismus.“

Diese Einstellung ist existenzgefährdend. Warum? Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (auch BGB-Gesellschaft, GbR, GdbR oder Sozietät genannt) haften gegenüber den Vertragspartnern (also gegenüber den Kunden, Mandanten, Patienten) sämtliche Mitglieder der Gesellschaft in voller Höhe für alle anderen mit.

Ein Beispiel: Drei Junganwälte schließen sich zur Sozietät Müller – Meier – Huber zusammen. Weil sie Berufsanfänger sind und sparen müssen, leisten sie sich nur eine Berufshaftpflichtversicherung mit der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Mindestdeckungssumme von 250.000 Euro. Eines schönen Tages erscheint Mandantin Sehrspätdran bei Anwalt Müller: Ihr Vater sei vor knapp drei Jahren verstorben, im Testament sei aber ihre Schwester als Alleinerbin eingesetzt gewesen. Sie habe da aber etwas von Pflichtteil gehört und da ihre Schwester von sich aus nichts anbiete, wolle sie das jetzt mal prüfen lassen. Schließlich sei ihr Vater nicht ganz arm gewesen. Nun ist bei Anwalt Müller auch sonst erfreulich viel los, die Mandanten kommen Schlag auf Schlag, die Kanzlei wird aufgebaut, Personal angelernt. Kurzum: Er vergisst, die Verjährungsfrist zu notieren und klagt nicht rechtzeitig. Der Anspruch ist futsch. Die Mandantin findet das wenig witzig und geht zu einem anderen Anwalt, der ausrechnet, dass Frau Sehrspätdran nachweislich einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 700.000 Euro hätte durchsetzen können. Ihr Vater hatte nämlich ein Haus, Ersparnisse, eine Lebensversicherung und Aktien, wovon der Mandantin ein Viertel des Wertes zustand. Anwalt Müller muss also 700.000 Euro Schadensersatz zahlen. Seine Berufshaftpflicht übernimmt hiervon 250.000 Euro und wünscht ihm mit den verbleibenden 450.000 Euro viel Spaß. Junganwalt Müller hat zwei juristische Staatsexamina und Mut, aber keine 450.000 Euro. Auch seine Eltern nicht.

Jetzt kommen die Kollegen Meier und Huber ins Spiel. Der neue Anwalt von Frau Sehrspätdran verlangt nämlich die 450.000 Euro einfach von diesen beiden – und zwar nicht anteilig, sondern von jedem einzelnen in voller Höhe. Das darf er auch. Alle Gesellschafter einer GbR sind nämlich sog. Gesamtschuldner, d.h. jeder einzelne ist verpflichtet, den vollen Betrag zu zahlen. Im Innenverhältnis haben Meier und Huber zwar einen Regressanspruch gegen Müller, der nutzt ihnen aber nichts: Müller ist insolvent und wird es wohl auch bleiben. Die örtliche Presse berichtete nämlich zwischenzeitlich ausführlich über den „Anwaltspfusch in der Kanzlei M-M-H“. Neue Mandanten bleiben aus, bestehende Mandanten kündigen das Mandat. Noch schlimmer: Da der Gegneranwalt auch gegen Meier und Huber zwangsvollstreckt, sind auch diese pleite. Die Anwaltskammer entzieht allen dreien die Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (gem. § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO; der Senat für Anwaltssachen des BGH beschloss erst kürzlich wieder, dass ein solcher Widerruf auch bei relativ geringen Schulden zulässig ist: BGH vom 17.9.2007, AnwZ (B) 75/06). [HIER ALS PDF: bgh_anwz_b_75_aus_2006]

Wären Müller – Meier – Huber eine Partnerschaftsgesellschaft, müsste nur Müller zahlen, die anderen beiden Anwälte der Kanzlei wären aus der Haftung raus. Details dazu unten.

Ist das ein völlig an den Haaren herbeigezogenes Horrorszenario? Zugegeben, solche Fälle sind nicht alltäglich, aber auch nicht ganz selten. Haftungsfälle, die von der Berufshaftpflichtversicherung nicht oder nicht voll gedeckt sind:

a) der Schaden übersteigt die Deckungssumme (obiges Beispiel)
b) bei Beratung über ausländisches Recht
c) gröbste Fahrlässigkeit des Anwalts (exakt: das Verhalten des Rechtsanwalts ist eine an Gewissenlosigkeit grenzende Leichtfertigkeit)
d) der Schaden ist durch eine gewerbliche Tätigkeit des Rechtsanwalts verursacht (z.B. unternehmensberatende
Tätigkeit)

Kleiner Exkurs: Eine weitere Konstellation, an die man selten denkt ist: Die Berufshaftpflicht zahlt auch dann nicht, wenn ein Kollege in der Praxis/Kanzlei eine unerlaubte Handlung begeht. Der Klassiker: Mandantengelder veruntreut. Auch für diese Schulden haftet die GbR und alle Gesellschafter in vollem Umfang persönlich. Fairerweise muss man aber zugeben, dass in dieser Konstellation auch die Partnerschaftsgesellschaft keinen Vorteil bringt.

Was bringt die Rechtsform Partnerschaftsgesellschaft konkret?

Neben dem Vermögen der Gesellschaft haftet den Gläubigern prinzipiell auch jeder Gesellschafter bzw. Partner mit seinem gesamten Privatvermögen (§ 8 Abs. 1 PartGG). § 8 Abs. 2 PartGG bringt aber – verglichen mit der GbR – den Vorteil, dass die persönliche Haftung derjenigen Partner ausgeschlossen ist, die mit den konkreten Fall nicht befasst waren. Man haftet also nur für seine eigenen Berufsausübungsfehler, nicht für die der Kollegen.

Weiterer Vorteil: Schutz der Freien Mitarbeiter und Angestellten

Oft sind in der Kanzlei Rechtsanwälte angestellt oder als Freie Mitarbeiter tätig, die trotzdem auf dem Briefbogen genannt werden. Nach der BGH-Rechtsprechung haften diese nach außen – obwohl sie keine Gesellschafter sind – trotzdem als sog. Scheinsozien in vollem Umfang privat. Ebenso Rechtsanwälte, mit denen nur eine Bürogemeinschaft besteht, wenn sie (ohne klarstellenden Zusatz) auf dem Briefbogen aufgeführt werden. Sie haften also persönlich für alle Verbindlichkeiten der Rechtsanwalts-Sozietät.Übrigens auch umgekehrt: Die echten GbR-Gesellschafter haften auch für die Schein-Sozien.

Nicht so bei der Partnerschaftsgesellschaft: Bei der PartG gibt es keinen „Schein-Partner“, da sich die Mandanten ja im Partnerschaftsregister informieren können, wer Partner ist und wer nicht. Der Rechtsverkehr muss sich die Publizitätswirkung des Partnerschaftsregisters entgegenhalten lassen (§ 5 Abs. 2 PartGG, § 15 Abs. 2 Satz 1 HGB). Die Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft ist somit im Vergleich zur GbR ein echter Schutz für die auf dem Briefbogen aufgeführten angestellten Rechtsanwälte und Freien Mitarbeiter.

Haftung für Altverbindlichkeiten: kein Unterschied mehr

Der frühere Nachteil der PartG gegenüber der GbR, dass ein eintretender Partner auch für die beim Eintritt vorhandenen Gesamthandsverbindlichkeiten haften muss, hat sich durch die BGH-Rechtsprechung erledigt. Das ist nämlich nun auch beim Eintritt in eine GbR der Fall (BGH Urt. v. 07.04.2003 II ZR 56/02 DStR 2003, 1084). Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, ob dies auch für Verbindlichkeiten aus Beratungsfehlern gilt.

Wie wird man Partnerschaftsgesellschaft?

Sehr einfach: Entweder man gründet von Anfang an eine PartG oder man ändert die Rechtsform einer bestehenden GbR durch Gesellschafterbeschluss und Eintragung ins Partnerschaftsregister. Bei letzterem handelt es sich übrigens nicht um eine komplizierte Umwandlung im Sinn des Umwandlungsgesetzes, sondern lediglich um eine „Änderung des Rechtskleides“, faktisch also nur um eine Namensänderung der Gesellschaft. Sowohl GbR wie PartG sind Personengesellschaften. Alle Regelungen zum Innenverhältnis werden beibehalten wie gehabt: Der bisherige Gesellschaftsvertrag mit den Regeln zur Gewinnverteilung, Stimmrechten, Abfindungen etc. bleibt völlig identisch.

Auch steuerlich ändert sich nichts: Man muss nicht etwa eine Umwandlungsbilanz erstellen lassen; die Änderung von GbR in PartG ist vielmehr jederzeit (auch während des laufenden Geschäftsjahres) möglich. Wie die GbR erzielt die Partnerschaftsgesellschaft Einkünfte aus selbständiger Arbeit und kann somit ihren Gewinn (weiterhin) durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln (§ 4 Abs. 3 EStG), muss also nicht bilanzieren.

Auch Befürchtungen, wegen des Eintrags im Partnerschaftsregister könnte die Konkurrenz irgendwelche Interna über die Praxis erfahren, sind überflüssig: Der Partnerschaftsvertrag muss zwar schriftlich abgeschlossen werden (das sind aber in der Regel auch GbR-Verträge), er muss aber bei der Anmeldung der Partnerschaft zur Eintragung in das Partnerschaftsregister gerade nicht dem Registergericht vorgelegt werden. Die Vertragsinterna bleiben damit „Privatsache“ der Gesellschafter.

Fazit: So what are you waiting for?

Die BGB-Gesellschaft ist ein völlig unnötiges Risiko für Freiberufler. Wer sich von ca. 200 bis 300 Euro Notar- und Registergerichtsgebühren sowie der notwendigen Ergänzung des Briefpapiers und des Praxis-/Kanzleischilds um den Zusatz „Partnerschaft“ oder „Partnerschaftsgesellschaft“ abhalten lässt, darf sich nachher nicht beschweren, wenn er seiner Ehefrau erklären muss, warum er nun wegen des Berufsausübungsfehlers seines Kollegen die Privatinsolvenz beantragen muss.

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Hier das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz im Volltext (Stand 10.11.2006):

partgg_volltext_-stand_10nov2006