Wenn ein Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine Aus- oder Weiterbildung finanziert, also etwa Kursgebühren für eine EDV-Fortbildung oder gar ein berufsbegleitendes Aufbaustudium  zahlt, Reise- und Hotelkosten erstattet etc, so hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, dass das damit erworbene Wissen dem eigenen Betrieb zugute kommt. Was der Arbeitgeber nicht will, ist dass der Mitarbeiter kurz nach Abschluss der Fortbildung zur Konkurrenz wechselt. Viele Arbeitsverträge enthalten deshalb Klauseln, nach denen ein Arbeitnehmer Aus- oder Fortbildungskosten zurückerstatten muss, wenn er den Betrieb verlässt. Weil solche Klauseln aber einen finanziellen Druck ausüben und damit – zumindest indirekt – die Möglichkeit des Arbeitnehmers auf freie Wahl des Arbeitsplatzes einschränken, sind solche Regelungen nur in gewissen Grenzen zulässig (richterliche Inhaltskontrolle). Nachfolgend ein Überblick über die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu solchen Rückzahlungsklauseln (§§ 611, 607 BGB)

1. BAG, U. v. 11.04.1990, DB 1990, 2222 f. = NZA 1991, 178

Eine arbeitsvertragliche Regelung über die Erstattung von Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aufgewandt hat, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet, ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 11 GG nur wirksam, wenn den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungs-verpflichtung gegenübersteht: soweit es für die Erstattung von Ausbildungskosten durch den Arbeit-nehmer darauf ankommt, ob sich seine Berufs- und Verdienstaussichten auf dem Arbeitsmarkt verbessert haben, muss der die Erstattung beanspruchende Arbeitgeber darlegen und ggf. beweisen, dass für entsprechend ausgebildete Arbeitskräfte in nennenswertem Umfang Bedarf besteht.

2. BAG, U. v. 16.03.1994, NZA 1994, 937 = DB 1994, 1726

Die richterliche Inhaltskontrolle einzelvertraglicher Klauseln, durch die sich der Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Weiterbildungskosten verpflichtet, ist von Verfassungswegen geboten. § 242 BGB begründet die Befugnis zu einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen. Dabei haben die Gerichte den konkurrierenden Grundrechtspositionen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers ausgewogen Rechnung zu tragen (Anschluss an BVerfG, B. v. 19.10.1993, NJW 1994, 36). Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer durch die Weiterbildung einen beruflichen Vorteil erlangt hat, liegt beim Arbeitgeber. Der Arbeitgeber genügt seiner Dar-legungslast jedenfalls dann, wenn er substantiiert vorträgt, dass der Arbeitnehmer durch seine Wei-terbildung eine anerkannte Qualifikation erworben und ihm diese innerbetriebliche Vorteile gebracht hat. Dabei kann der Vorteil auch in der Einstellung selbst liegen.

3. BAG, U. v. 24.07.1991, DB 1992, 893 = NZA 1992, 211

Die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die spätere Entwicklung kann dafür nur herangezogen werden, wenn sie bei Vertragsabschluss vorhersehbar war.

4. BAG, U. v. 15.12.1993, NZA 1993, 835 f. = DB 1994, 1040 f.

Eine Lehrgangsdauer bis zu zwei Monaten rechtfertigt in der Regel nur dann eine längere Bindung als ein Jahr nach Abschluss der Ausbildung, wenn durch die Teilnahme am Lehrgang eine besonders hohe Qualifikation verbunden mit überdurchschnittlichen Vorteilen für den Arbeitnehmer entsteht oder wenn die Fortbildung besonders kostenintensiv ist (bei der Berechnung der Lehrgangsdauer ist eine praktische Unterweisung des Arbeitnehmers nur dann mit zu berücksichtigen, wenn sie einen erheb-lichen Anteil der Arbeitszeit ausmacht und der Arbeitnehmer dadurch keine der Vergütung angemes-sene Arbeitsleistung erbringt).

5. BAG, U. v. 30.11.1994, DB 1995, 1283 f.

Ein sechsmonatiger Sprachaufenthalt unter Mitarbeit in einem Unternehmen im Ausland kann eine Bindung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber bis zu zwei Jahren rechtfertigen.

6. BAG, U. v. 26.10.1993, NZA 95, 305 f. = DB 1995, 632 f.

Die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten gelten regelmäßig auch dann, wenn vereinbart wird, dass der Rückzahlungs-betrag als Darlehen geschuldet werden soll (§ 607 Abs. 2 BGB). Ein Schuldbestätigungsvertrag, der unabhängig von der arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklausel gelten soll, kann nur ausnahmsweise angenommen werden; er setzt voraus, dass die Parteien den Streit oder die beiderseitige Ungewiss-heit über die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel beenden wollen (Anschluss an BGHZ 66, S. 250; BGH, NJW 1980, 1158; 1984, 799).

7. BAG, U. v. 06.09.1995, NZA 1996, 314 = DB 1996, 532

Die Zulässigkeit einzelvertraglicher Klauseln, nach der der Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden Fortbildungskosten zurückzuzahlen hat, hängt auch von der Dauer der Bildungsmaßnahme ab. Besteht diese aus mehreren Unterrichtsabschnitten, sind die dazwischen liegenden Zeiten bei der Berechnung der Dauer nicht mit zu berücksichtigen. Bei einer Lehrgangsdauer von drei bis vier Monaten ist eine Bindungsdauer von zwei Jahren jedenfalls nicht zu lang bemessen. Der Senat neigt dazu, dass eine längere Bindungsdauer in derartigen Fällen unzulässig ist. Es gibt keinen Grundsatz, dass die Bindungsdauer höchstens sechsmal so lang sein darf wie die Dauer der Bildungsmaßnah-me.

8. BAG, U. v. 06.05.1998, NZA 1999, 79

Einzelvertragliche Abreden über die Rückzahlung von Ausbildungskosten sind insoweit unwirksam, wie sie eine Erstattung auch für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber vorsehen.

9. BAG, U. v. 05.12.2002, NZA 2003, 559

Die Dauer einer Fortbildung ist ein Indiz für die Qualität der erworbenen Qualifikation. Dauert sie nicht länger als einen Monat und zahlt der Arbeitgeber während dieser Zeit das Entgelt des Arbeitnehmers fort, ist i. d. R. nur eine Bindung des Arbeitnehmers bis zu sechs Monaten zulässig. Die Höhe der vom Arbeitgeber bezahlten Reise – und Hotelkosten sowie die Höhe des fortgezahlten Entgelts ist kein Indiz für die dem Arbeitnehmer durch die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme erwachsenen beruflichen Vorteile.

10. BAG, U. v. 24.06.2004, NZA 2004, 1035

Eine einzelvertragliche Abrede über die Erstattung von Ausbildungskosten, die den Arbeitnehmer auch bei einer vorzeitigen Kündigung des Arbeitgebers zur Rückzahlung verpflichtet, kann nur dann den Anforderungen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle am Maßstab des § 242 BGB genügen, wenn der Arbeitnehmer die Kündigungsentscheidung und damit das Fehlschlagen der Bildungsinvestition des Arbeitgebers durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst hat.

11. BAG, U. v. 23.01.2007, NZA 2007, 748

Eine Rückzahlungsklausel, die einen Mitarbeiter zur (anteiligen) Rückzahlung der als Darlehen ge-währten Studiengebühren verpflichtet, „wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendigt wird“ und nicht danach unterscheidet, ob der Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Ar-beitgebers oder der des Arbeitnehmers zuzuordnen ist, ist nach § 307 Abs 1 S 1 BGB unwirksam, weil durch sie der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt wird.

Diese unbeschränkte, für alle Beendigungsgründe geltende Rückzahlungspflicht wird nicht dadurch eingeschränkt, dass der Darlehensvertrag nach dem Passus: „wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendigt wird“ die Ergänzung enthält: „insbesondere, wenn der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen aus einem Grund gekündigt wird, den der Mitarbeiter zu vertreten hat“. Eine mit „insbesondere“ eingeleitete Auflistung von Einzelfällen stellt nach allgemeinem Sprachgebrauch keine abschließende Aufzählung dar.

Die Rückzahlungsklausel ist nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion mit dem Inhalt auf-rechtzuerhalten, dass der Arbeitnehmer nur in den genannten beiden Beispielsfällen, in denen der Beendigungsgrund seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen ist, zur Rückzahlung der verauslagten Studiengebühren verpflichtet ist. Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Klausel scheidet aus.

12. BAG, U. v. 18.03.2008, NZA 2008, 1004

Eine Klausel, die den ratierlichen Abbau eines Studiendarlehens für jeden Monat der späteren Tätigkeit vorsieht, ist unangemessen: (a) nach § 307 I 1 BGB, wenn sie keine Verpflichtung des Darlehensgebers enthält, den Studierenden nach erfolgreichem Abschluss des Studiums zu beschäftigten, (b) nach § 307 I 2 BGB, wenn sie den Studierenden völlig im Unklaren lässt, zu welchen Arbeitsbe-dingungen er nach erfolgreichem Abschluss des Studiums vom Darlehensgeber beschäftigt werden soll.

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