Ein Anwalt in Hinterdorfenhausen hat einen übeschaubaren Kreis potentieller Mandanten.  Verlockend daher die Vorstellung, seine anwaltlichen Dienste auch in Berlin, Frankfurt und/oder München anzubieten. Ein Berliner, Frankfurter oder Münchner Mandant beauftragt aber keinen Anwalt mit (einziger) Adresse in Hinterdorfenhausen. Eine echte Niederlassung zu eröffnen, also Büro anmieten, mit Infrastruktur ausstatten und einen Anwalt reinsetzen, ist etwas teuer für die vage Hoffnung, dort Mandanten zu akquirieren. Also: Eine Zweigstelle eröffnen. Seit 2007 ist das erlaubt. Das frühere Zweigstellenverbot für Anwälte wurde aus der BRAO gestrichen. (…)Doch was ist eine Zweigstelle? Gelten dafür die gleichen Anforderungen hinsichtlich personeller und organisatorischer Ausstattung wie für eine Kanzlei? Also zum Beispiel: Telefon (das auch jemand abhebt), Fax, PC, Briefkasten (den auch jemand leert), Aktenschrank etc. Die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer bejahte das und passte den § 5 BORA entsprechend an. Das Bundesjustizministerium hob den Beschluss auf, weil es – im Trend der Liberalisierung der Berufsausübungsvorschriften für Freiberufler – den Anwälten (auch Einzelanwälten) gerade die Möglichkeit gegen wollte, überörtlich aufzutreten und tätig zu sein.

Der Anwaltssenat des BGH (Urteil vom 13.9.2010 – AnwZ (P) 1/09) hat nun – zumindest in der Theorie – Klarheit geschaffen: Die Satzungsversammlung hat nach der BRAO die Kompetenz, die Zweigstelle wie eine Kanzlei zu regeln. § 59 b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe g BRAO ermächtigt auch zur Regelung von Anforderungen an die Einrichtung und den Betrieb einer Zweigstelle. Der Rechtsanwalt hat damit die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen vorzuhalten.

Doch welche Auswirkungen hat das auf die Praxis? Wohl nicht viele. Die Mutigen unter den Kollegen werden sich auch künftig trauen, eine „Niederlassung“ mit Minimalausstattung zu eröffnen und der Kammer gegenüber – im Fall einer Rüge – zu begründen, warum eine Telefon- und Faxrufweiterleitung, ein Postnachsendeantrag und die Möglichkeit, ein Besprechungszimmer stundenweise zu mieten (wie zum Beispiel Firmen wie Regus u.a. anbieten) im 21. Jahrhundert eine hinreichende sachlich-organisatorische Ausstattung darstellt. Die Akten werden dann eben in der Kanzleizentrale geführt. Die Ängstlichen werden sich von der Kammer einschüchtern lassen und zusperren.