Dieser Beitrag ist schon etwas älter, der Inhalt aber auch heute noch aktuell 

Infoabend mit Expertenrunde im Caritas-Krankenhaus St. Josef am 23. November

Dr Michael Pawlik
Dr. Michael Pawlik, Direktor der Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin am Caritas-Krankenhaus St. Josef, Regensburg
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Das Thema ist unangenehm. Niemand malt sich gern aus, in welche Nöte er durch Krankheit, Unfall oder hohes Alter geraten kann. Die moderne Medizin kann Menschen über Monate oder Jahre „künstlich“ am Leben erhalten, auch wenn sie sich nicht mehr mitteilen können. Wann denkt man schon in Ruhe darüber nach, welche medizinischen Maßnahmen man in diesen Situationen für sich wollen oder ablehnen würde. Genau das ist aber nötig, wenn man eine brauchbare Patientenverfügung (PV) erstellen will, die nicht zu oberflächlich bleibt. Formulierungen wie „ich will später nicht an Maschinen hängen“ helfen im Ernstfall weder dem Mediziner noch dem Juristen dabei, den wirklichen Willen des Betroffenen zu ermitteln. Wer eine gültige Verfügung treffen will, muss sich daher mit den konkreten Möglichkeiten der heutigen Intensivmedizin sowie der Palliativpflege beschäftigen (Informationen dazu hier). Nur dann kann man als aufgeklärter Patient entscheiden, was man für sich will.

Das neue Gesetz

Seit einem Jahr steht die PV nun im Gesetz. Davor gab es nur einzelne Urteile, die sich noch dazu widersprachen. Sind nun alle Fragen geklärt? Leider nicht. Im Alltag der Kliniken und Heime stellen sich nach wie vor rechtliche, medizinische und ethische Probleme, die der neue §1901a BGB allein nicht löst. So wird das Gesetz oft missverstanden, ein Arzt sei nun strikt an jede schriftliche Verfügung gebunden. Eine PV ist aber nur dann verbindlich, wenn der Patient einen ganz bestimmten ärztlichen Eingriff in einer konkret umschriebenen Situation untersagt hat. Da solche konkreten Formulierungen oft fehlen, bleiben auch künftig viele Verfügungen angreifbar. Noch ein Aspekt wird häufig übersehen: Hat der Patient keinen Vorsorgebevollmächtigten benannt, muss das Gericht erst einen Betreuer bestellen. Faktisch ist eine Vorsorgevollmacht daher mindestens ebenso wichtig ist, wie die PV.

Das BGH-Urteil vom 25. Juni 2010 (Az. 2 StR 454/09)

Beim Thema PV geht vieles durcheinander, auch unter Fachleuten. Ärzte und sogar Gerichte (so das LG Fulda in der aktuellen BGH-Entscheidung) verwechseln oft noch die Begriffe aktive und passive Sterbehilfe (Details dazu hier). In den Köpfen der Mediziner spukt noch immer die Angst vor einer strafrechtlichen Verurteilung, wenn sie lebenserhaltende Maßnahmen beenden. Aus Furcht vor juristischen Konsequenzen behandeln die Ärzte dann weiter, obwohl der Patient dies anders abgeordnet hatte.

Solche Ängste sind aber in der Regel unbegründet, wie der BGH im Juni 2010 erneut bekräftigt hat: Eine 76jährige Dame lag bereits seit fünf Jahren im Koma. Eine schriftliche PV gab es nicht, die Patientin hatte aber mündlich für diesen Fall sehr konkret angeordnet, dass sie künstliche Ernährung ablehnt. Betreuer, Ärzte und Pflegepersonal weigerten sich, diese Anordnung umzusetzen. Die mündliche Anordnung war ihnen zu unsicher. Auf den Rat des Anwalts hin schnitt die Tochter nunmehr den Schlauch der Magensonde durch, was die Pfleger aber sofort bemerkten und eine neue Sonde legten. Das LG Fulda verurteilte den Rechtsanwalt wegen versuchten Totschlags. Der BGH hob das Urteil auf und stellte klar, dass ein solches Vorgehen kein strafbares Tötungsdelikt ist, sofern feststeht, dass die Patientin eine solche Behandlung definitiv nicht wollte. Der Wille des Patienten ist zu respektieren. Der Wortlaut des Urteils hier zum Download: BGH-2010-06-25

Infoabend mit Experten

Aus Anlass des neuen BGH-Urteils lädt das Caritas-Krankenhaus St. Josef am Dienstag, den 23. November um 18.00 Uhr zu einem Infoabend mit anschließender Expertendiskussion. Praktiker beleuchten das Thema von drei Seiten: Die ärztliche Sicht beschreibt Dr. Michael Pawlik, Direktor der Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin am St. Josef-Krankenhaus. Er stellt den Bezug zur ärztlichen Realität her und berichtet aus seiner langjährigen Erfahrung als Anästhesist und Notarzt, wie Kliniken im Ernstfall mit einer PV umgehen. Die juristischen Aspekte erläutert Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl, in der Kanzlei Graf & Partner verantwortlich für Medizin- und Erbrecht. Er kennt sowohl die Wünsche der Patienten (die eine PV häufig zusammen mit einem Testament erstellen lassen möchten und daher den Anwalt für Erbrecht fragen), kennt aber auch die Probleme der Ärzte. Den Abend moderiert Dr. Bernhard Bleyer, Theologe an der Universität Regensburg und Referent der Katholischen Akademie für Ethik in Medizin und Pflege.

Die Veranstaltung findet im Großen Konferenzsaal des Krankenhaus St. Josef, Landshuter Str. 65 statt, ist offen für jedermann und kostenlos. Ein kleiner Imbiss wird gereicht. Anmeldung ist erbeten beim Zentrum für Aus-, Fort- und Weiterbildung im Krankenhaus St. Josef, Telefon (0941) 782 4010.

Der Autor Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt und Master of Laws (England) spezialisiert sich seit 2001 auf Erbrecht und Nachlassabwicklung. Er ist ferner erfahrener Experte für deutsch-britische und deutsch-amerikanische Rechtsfälle, grenzüberschreitende Erbfälle und internationale Nachlassabwicklungen. Er ist Mitgründer und Managing Partner der Anwaltskanzlei Graf & Partner Rechtsanwälte  und betreibt mehrere erfolgreiche Blogs sowie einen juristischen YouTube Kanal.

 

https://youtu.be/fWk99HxHHI0

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https://youtu.be/x7X5E4Cj8dA