Ist ein Werk mangelhaft, hat der Auftraggeber (u.a.) Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten. Bis vor wenigen Monaten war die ganz überwiegende Rechtsprechung, dass man selbst dann die auf die Reparatur entfallene Umsatzsteuer verlangen durfte, wenn der Schaden gar nicht (durch einen Handwerker) repariert wurde – die Umsatzsteuer also faktisch überhaupt nicht angefallen war. So etwa das OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2009, Az. I-21 U 101/08, das OLG Celle, Beschluss vom 18.01.2010, Az. 7 U 201/09 oder das  OLG München, Urteil vom 29.09.2009, Az. 28 U 3123/09). Begründet wurde diese Ansicht mit einem Hinweis auf § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach besteht  beim Schadensersatz wegen Sachbeschädigung nur dann Anspruch auf die Umsatzsteuer, „wenn und soweit diese tatsächlich angefallen ist“. Da ein mangelhaftes Werk als solches aber keine „Beschädigung“ der Sache ist, folgerten die Richter im Umkehrschluss, dass die Vorschrift im Gewährleistungsrecht nicht anzuwenden ist. Deshalb, so die Richter, sei die Umsatzsteuer auch dann zu ersetzen, wenn diese tatsächlich nicht angefallen ist. Anders nun der BGH (Urteil vom 22.07.2010, Az. VII ZR 176/09):   …

Lebenspraktischer  argumentierend entschied der BGH, dass Umsatzsteuer nur dann verlangt werden darf, wenn auch tatsächlich repariert wurde. Dies begründet der Senat u.a. damit, dass er es für gerechtfertigt hält, „den Umfang des Schadensersatzes stärker als bisher auch daran auszurichten, welche Disposition der Geschädigte tatsächlich zur Schadensbeseitigung trifft“. Außerdem, so die BGH-Richter, handelt es sich bei der Umsatzsteuer um einen durchlaufenden Posten, der keinem der Beteiligten zu Gute kommt und der in seiner Entstehung von steuerrechtlichen Vorgaben abhängt.

Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis? Muss sich der „Geschädigte“ nun ein für allemal  festlegen, ob er reparieren lassen will oder nicht? Die Antwort lautet, nein. Der Auftraggeber muss sich nicht endgültig entscheiden. Wenn er das Werk später doch noch reparieren lässt, kann er die Umsatzsteuer auch nachträglich noch als weiteren Schadensersatzposten geltend machen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Anspruch noch nicht verjährt ist. Dies  kann man verhindern, indem man rechtzeitig eine entsprechende Feststellungsklage erhebt oder den Unternehmer dazu bewegt, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.