Der Pflichtteil berechnet sich aus dem Reinvermögen des Erblassers am Todestag (Pflichtteilsergänzungsansprüche aus lebzeitigen Schenkungen lassen wir hier einmal außer Betracht). Dieses Saldo-Vermögen wird errechnet aus Aktiva minus Passiva, also Verbindlichkeiten (Details zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses hier). Was bedeutet es für den Pflichtteilsanspruch, wenn der Erbe dem Verstorbenen zu Lebzeiten ein Darlehen gewährt hatte? Dieser Anspruch des Erben auf Rückzahlung des Darlehens erlischt ja in der Sekunde des Todes, weil der Erbe nun auf beiden Seiten des Darlehensverhältnisses steht, also gleichzeitig Darlehensgeber und (als Erbe) auch Darlehensschuldner. Eine solche „Pflicht gegen sich selbst“, sog. Konfusion,  verpufft sozusagen automatisch.

Kann der Erbe diese Darlehensschuld des Erblassers trotzdem noch als Passivposten in das Nachlassverzeichnis einstellen?

Prinzipiell ja! Zur Ermittlung des Pflichtteils wird die Darlehensschuld (trotz Erlöschens durch Konfusion) weiterhin als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt, schmälert also die Berechnungsgrundlage des Pflichtteils. Das gilt natürlich auch umgekehrt, also für den Fall, dass der Verstorbene kein Darlehen erhalten, sondern an den späteren Erben gewährt hat. In diesem Fall ist die Darlehensforderung des Verstorbenen als Aktivposten im Nachlassverzeichnis zu erfassen, erhöht also den Pflichtteil.

In der Praxis kann man durch frühzeitige geschickte Gestaltung also den Pflichtteil erheblich reduzieren. Allerdings sollte man es nicht übertreiben, denn bei extrem ungewöhnlichen Konstellationen wird der Pflichtteilsberechtigte eventuell einwenden, dass die Gestaltung wegen Umgehung des Pflichtteilsrechts sittenwidrig und daher unwirksam ist. Ein Darlehen darf also nicht nur behauptet werden, sondern muss auch tatsächlich erbracht worden sein.

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Falls Sie bei einem konkreten Erbfall rechtliche Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte der Kanzlei Graf & Partner sowie deren Partneranwälte in England gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England).

Weitere Informationen zu Testamentsgestaltung und Erbrecht:

Broschüre “Fakten zum Erbrecht”
Testierunfähigkeit wegen Demenz
Wie geht ein Berliner Testament (Mustertext)
Kann man seinen Arzt zum Erben einsetzen?
Info-Broschüre “Fakten zum Erbrecht”
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Enterbt ist halb so schlimm: So macht man den Pflichtteil geltend (Muster-Anspruchsschreiben)
Checkliste Nachlassverzeichnis: Korrekte Berechnung des Pflichtteilsanspruchs
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