Bei betriebsbedingten Kündigungen muss der Arbeitgeber immer eine Sozialauswahl treffen. Er soll den sozial am wenigsten schutzbedürftigen Arbeitnehmer entlassen, also denjenigen, der voraussichtlich am schnellsten wieder einen Job findet und von dessen Einkommen möglichst wenig andere Personen (Ehegatte, Kinder) abhängig sind.

Gekündigte Arbeitnehmer erheben fast immer Kündigungsschutzklage und rügen (u.a.) genau das: die falsche Sozialauswahl. Dass also, wenn eine Kündigung schon nicht vermeidbar ist, aber jedenfalls der falsche Arbeitnehmer innerhalb der Vergleichsgruppe gekündigt wurde. Der Arbeitgeber muss sich auf solche Klagen proaktiv vorbereiten. Der erste Schritt dabei ist die exakte Definition der Vergleichsgruppe: Welche Mitarbeiter sind von der Umstrukturierung betroffen? Das sind diejenigen Arbeitnehmer, die vergleichbare Aufgaben durchführen und auf ähnlicher hierarchischer Ebene stehen.

Erst im zweiten Schritt, also innerhalb der Vergleichsgruppe, folgt sodann die Sozialauswahl. Die Kriterien dieser Sozialauswahl definiert § 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG):

– Dauer der Betriebszugehörigkeit,
– Lebensalter,
– Unterhaltspflichten und
– Schwerbehinderung des Arbeitnehmers.

Bezieht der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers die vier genannten Kriterien nicht in seinen Vergleich mit ein oder wägt er sie falsch ab, werden die Arbeitsgerichte im Kündigungsschutzprozess die Kündigung des Arbeitnehmers für sozialwidrig und unwirksam erklären. Ein betrübliches Ergebnis für den Arbeitgeber, weil der den betreffenden Arbeitnehmer dann entweder nach wie vor beschäftigen oder eine hohe Abfindung zahlen muss.

Alle vier genannten Aspekte sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung abzuwägen, kein Punkt ist per se als vorrangig, keiner als nachrangig anzusehen. So wollen es Gesetz und Rechtsprechung. Diese Unbestimmtheit macht es für alle Beteiligten etwas schwierig. Die Aspekte „Gesamtbetrachtung“ und „Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern“ sind Einfallstore für eine andere Bewertung durch den Arbeitsrichter. Die Richtigkeit der Sozialauswahl und damit das Ergebnis eines Kündigungsschutzprozesses sind deshalb oft schwer kalkulierbar.

Trotzdem: Der Arbeitgeber muss dem Gericht im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses darlegen, dass er sich bei der Kündigung des Arbeitnehmers XY etwas gedacht hat. Das Mittel, um die Sozialauswahl transparent und für das Gericht nachvollziehbar zu machen sind Punkteschemata. Sie helfen herauszufinden, welche Arbeitnehmer vergleichbar und am wenigsten schutzbedürftig sind. Bei einem Punkteschema werden die vier Aspekte, die bei der Sozialauswahl relevant sind, aufgelistet. Jedes Kriterium wird mit einer bestimmten Anzahl von Punkten hinterlegt. Mittels dieses Schemas erhält jeder Arbeitnehmer im Betrieb eine bestimmte Punktezahl ergeben. Der Arbeitgeber kann anhand der Ergebnisse eine Rangfolge erstellen. Je höher die Punktezahl, desto sozial geschützter ist der Arbeitnehmer. Je niedriger die Zahl, desto höher die Chancen einer Kündigung. Ein Beispiel für ein solches Schema, das das BAG für zulässig erachtete, ist folgendes:

Kriterium   Punkte
Lebensalter Für jedes vollendete Jahr nach dem 18. Lebensjahr 1 Punkt
Betriebszugehörigkeit Für jedes Beschäftigungsjahr 1 Punkt
Unterhaltspflichten Ehegatte/ eingetragener Lebenspartner 2 Punkte
Unterhaltsberechtigtes, auf der Lohnsteuerkarte eingetragenes Kind 3 Punkte
Schwerbehinderung / Gleichstellung 50% 5 Punkte
Je weiterer 10% GdB 1 Punkt

Diese Punkteschemata werden in größeren Betrieben oft vorab zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber als Auswahlrichtlinie vereinbart (im Sinne von §§ 95, 112 BetrVG). Sie sind den Mitarbeitern oftmals bekannt und in der Folge auch für alle Arbeitnehmer bindend. Der Arbeitgeber kann im Kündigungsschutzprozess das Punkteschema vorlegen und a) damit darlegen, dass eine Sozialauswahl durchgeführt wurde; b) vergleichbare Arbeitnehmer verglichen wurden; und c) tatsächlich der sozial am wenigsten schutzwürdige Arbeitnehmer gekündigt wurde.

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