Viele Frauen mit mangelhaften Brustimplantaten stehen – neben der damit verbundenen psychischen Belastung – auch finanziell im Regen. Die rechtlichen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit Herstellung, Einfuhr und Verwendung (durch Ärzte und Kliniken) von PIP-Brustimplantaten sind kompliziert. Natürlich haftet der Hersteller PIP, der ist aber insolvent. Auch die Haftpflichtversicherung der PIP, die Allianz, hat bereits abgewunken und jeden Versicherungsschutz wegen der kriminellen Machenschaften von PIP versagt. Natürlich haften auch die agierenden Geschäftsführer, leitenden Angestellten und führenden Berater persönlich wegen unerlaubter Handlung, aber diese sind unbekannt und/oder ebenfalls pleite und/oder im Ausland.

Wer trägt also die Kosten für die Entfernung solcher mangelhafter PIP-Implantate (v.a. für die teure Revisionsoperation)? Der behandelnde Arzt beruft sich ja in der Regel darauf, dass die PIP-Implantate zugelassen waren und er von dem enthaltenen Industrie-Silikon nichts wusste. Auch die Rechtsexperten sind sich uneinig: Das Bundesgesundheitsministerium veröffentlichte, dass „selbstverständlich“ die Kassen die Kosten übernehmen müssten. Die Kassen sahen das überwiegend anders. Einzelne große überregionale Kassen äußerten, sie würden die Kosten zwar zunächst übernehmen, sich dann aber bei den Ärzten und Kliniken schadlos halten. Worauf können sich die betroffenen Frauen nun verlassen?

Wie gesagt, es ist kompliziert: War die Busen-OP medizinisch notwendig, erfolgte sie also im Rahmen einer indizierten Krankenbehandlung (z.B. nach einer Brustkrebsoperation / Mamma-Carcinom), handelt es sich selbstverständlich um eine Kassenleistung. Erfolgte die Implantierung aber ausschließlich aus ästhetischen Gründen (Schönheits-OP) droht § 52 Abs. 2 SGB V, die sog. „Leistungsbeschränkug bei Selbstverschulden“. Danach haben die Krankenkassen die Versicherten, die sich eine Krankheit durch eine nicht indizierte ästhetische Operation zugezogen haben, angemessen an den dadurch entstehenden Kosten zu beteiligen. Außerdem: Eine stationäre Krankenhausbehandlung für Schönheitsoperationen zu Lasten der GKV ist gemäß § 1 Abs. 2 der Krankenhausbehandlungs-Richtlinien unzulässigt.

Wollen Kassen die operierenden Ärzte und Krankenhäusern in Regress nehmen, werden sie sich im Übrigen schwer tun. Diese wussten nämlich nichts von den gefährlichen PIP-Implantaten. So wurde das BfArM erst im April 2010 von der französischen Gesundheitsbehörde informiert. Bis Mitte 2010 durften sich die Ärzte und Krankenhäuser daher auf das vom TÜV Rheinland vergebene CE-Kennzeichen verlassen. Erst wenn ein Arzt danach noch PIP-Implantate verwendet hat, sind Ansprüche wegen Behandlungsfehler denkbar.

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