Oder: Gar nicht so einfach, 330.000 Euro ans Finanzamt loszuwerden

Wir sind auf deutsch-englisches Erbrecht spezialisiert und bearbeiten internationale Erbschaftsteuerfälle. Aktuell vertreten wir eine Britin, die von ihrer unverheirateten und kinderlosen deutschen Freundin insgesamt knapp eine Million Euro erhalten hat, teilweise als lebzeitige Schenkung, teils als Erbe. Ja, solche Fälle gibt es ab und zu tatsächlich (meist sind solche Stories aber Betrugsversuche: hier).

Wir erstellen also für unsere englische Mandantin die Schenkungs- und Erbschaftsteuererklärung und erhalten einige Monate später die Steuerbescheide: ca. 80.000 Euro entfallen auf Erbschaftsteuer, der Rest ist Schenkungssteuer. Da die deutsche Erblasserin zur Zeit ihres Todes noch ein Bankkonto bei der Kreissparkasse B. im Ländle (Baden-Württemberg) unterhielt, auf dem knapp 300.000 Euro lagen, liegt es nahe, den Löwenanteil der Steuern direkt von dort zu bezahlen, nicht aus England. Wir legen also der Kreissparkasse B den Erbschein sowie eine Vollmacht vor und weisen sie – damals noch ganz naiv – im Auftrag der Mandantin an, das gesamte Guthaben ans Finanzamt Reutlingen zu überweisen.

Die verblüffende Antwort der Sparkassenmitarbeiterin: „Wir dürfen nur ans Finanzamt überweisen, nachdem dieses eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt hat.“ Diese Auskunft war natürlich verbunden mit der Standardaussage jedes Bankers: „Sonst haften wir!“

Ohhhkay?!

Mein Versuch, mit der Sparkasslerin zu diskutieren, wem gegenüber die Sparkasse in dieser Konstellation denn eigentlich haften könnte, wenn die Alleinerbin die Bank ausdrücklich zur Überweisung anweist und der Empfänger das deutsche Finanzamt ist, war natürlich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Auf eine inhaltliche Diskussion ließ sich dort niemand ein. Gesunder Menschenverstand ist bei der KSK offensichtlich keine zulässige Kategorie. „Nein“, so erfuhr ich, „eine Überweisung ist nur möglich, nachdem das Finanzamt die Zahlung freigegeben hat. Das steht auch ausdrücklich so in den Vorgaben unseres Sparkassenverbands.“

Na dann.

Wenn’s in den Verbandsempfehlungen steht, dann muss man natürlich jedes logische Argument fahren lassen. Also: Anruf beim Finanzbeamten, den wir dann auch schon beim achten Versuch tatsächlich erreichen. Der hört das „Problem“ zum ersten Mal und lacht erstmal schallend. Sein Mantra: „An das Finanzamt darf man natürlich immer überweisen, auch ohne Unbedenklichkeitsbescheinigung.“ Das hilft mir aber nichts, weil es die KSK nicht macht. Er erklärt sich bereit, bei der KSK anzurufen, was er auch tut. Bringt aber auch nicht viel. Trotz Bestätigung direkt vom Finanzamt weigert sich die KSK, die Steuern zu überweisen. Das Finanzamt seinerseits erteilt keine Unbedenklichkeitsbescheinigung, bevor nicht wenigstens die Erbschaftsteuern bezahlt sind, eigentlich sogar auch die Schenkungsteuer.

Nach mehreren weiteren Diskussionsschleifen erklärt sich die Kreissparkasse bereit, ganz „ausnahmsweise“ wenigstens die Erbschaftsteuer vom Erblasserkonto direkt ans Finanzamt zu überweisen. Die Schenkungsteuer aber nicht. Für die besteht die Sparkasse nach wie vor darauf, dass das Finanzamt vorher die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellt. Der Finanzbeamte hält das zwar nach wie vor für Mumpitz, hat sich aber bereit erklärt, diese an die KSK zu schicken, sobald die Erbschaftsteuer bezaht ist. Wir werden sehen…

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Falls Sie bei einem konkreten Erbfall rechtliche Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte der Kanzlei Graf & Partner sowie deren Partneranwälte in Österreich, der Schweiz, England, Schottland und Irland gerne zur Verfügung. Ihre Ansprechpartner sind Rechtsanwältin Katrin Groll und Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), zentrale Rufnummer: 0941 463 7070