Unsere Kanzlei macht viel Sport-, Vereins- und Verbandsrecht (Beiträge). Die Erfahrung zeigt: Vereins- und Verbandsvorstände nehmen Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung „ihres“ Vereins oft auf die leichte Schulter. Als Anwalt hört man da oft: „Das ist doch bei allen Clubs so“, „im Sport sieht man das nicht so eng“ oder „ich habe die Schulden doch schon vom alten Vorstand übernommen“. Riskante Strategie. Hier die jurististischen Fakten:

I. Insolvenzordnung gilt auch für Vereine

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) kann ein Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder juristischen Person eröffnet werden, somit auch über das Vermögen eines Vereins gemäß §§ 21 ff. BGB.

1. Insolvenzantragspflicht des Vorstands

Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Vorstand verpflichtet, im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Satz 2 ordnet an, dass bei Verzögerung des Antrags diejenigen Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden als Gesamtschuldner verantwortlich sind. Das heißt, sie haften mit ihrem privaten Vermögen, wenn Gläubiger deshalb ihre Forderungen gegen dem insolventen Verband nicht mehr in voller Höhe durchsetzen können. Verschulden liegt auch bei einer nachlässigen oder nachhinkenden Buchführung vor, die nicht den Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Rechnungslegung entspricht und/oder die nicht tagesaktuell geführt wird. Hierfür ist der Vorstand in seiner Gesamtheit verantwortlich (Organisations- und Überwachungs-verschulden).

2. Insolvenzgründe im Einzelnen

a) Zahlungsunfähigkeit:

Der Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.
Ob dies der Fall ist, muss die Buchhaltung für jeden einzelnen Tag aufs Neue prüfen. Bildlich gesprochen bedeutet dies: an jedem Kalendertag ist zu prüfen, wie viele fällige Forderungen zu bezahlen sind („welche Gläubiger heute vor der Tür stehen und Zahlung verlangen“) und ob die an diesem Tag vorhandenen liquiden Mittel (Kasse, Girokonto) zur Begleichung aller dieser fälligen Forderungen ausreichen. Ist dies nicht der Fall, so ist Zahlungsunfähigkeit gegeben.
Die Zahlungsunfähigkeit wird nicht etwa dadurch beseitigt, dass der Schuldner seinerseits Forderungen hat, die entweder bereits jetzt oder in Kürze fällig sind und der Schuldner deshalb mit Zahlungseingängen rechnen darf.

Ist dieser Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit gegeben, so hat der Vorstand unverzüglich einen Insolvenzantrag gemäß § 13 Abs. 1 InsO zu stellen. Für die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist in § 92 Abs. 2 AktG bzw. § 64 Abs. 1 GmbHG vorgesehen, dass der Vorstand bzw. der Geschäftsführer den Insolvenzantrag unverzüglich, jedenfalls aber spätestens innerhalb von drei Wochen nach Eintritt des Insolvenzeröffnungsgrundes stellen muss. Diese Frist von drei Wochen stellt somit auch für den Verein eine absolute Obergrenze dar. Kann die Zahlungsunfähigkeit innerhalb dieses Zeitraums nicht beseitigt werden, so führt kein Weg mehr an der Stellung eines Insolvenzantrags vorbei. Anderenfalls machen sich die beteiligten Personen sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich persönlich haftbar.

b) Überschuldung:

Bei einer juristischen Person ist ferner auch die Überschuldung ein Insolvenzeröffnungsgrund (§ 19 Abs. 1 InsO). Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Ergeben sich für den Vorstand aus der Buchhaltung – die professionell und tagesaktuell zu führen ist – Anhaltungspunkte und Verdachtsmomente dafür, dass eine Überschuldung gegeben sein könnte, so hat der Vorstand unverzüglich eine sogenannte Überschuldungsbilanz aufzustellen. Ergibt diese Überschuldungsbilanz, dass das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten (hier nun unabhängig von der Fälligkeit) nicht mehr deckt, so ist ebenfalls unverzüglich – spätestens innerhalb von drei Wochen – Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen.

c) Antragsberechtigung:

Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO sind neben dem Schuldner auch die Gläubiger antragsberechtigt. Das bedeutet, dass jeder Gläubiger des Vereins (Lieferanten, Angestellte, auslagenersatzberechtigte Spieler, sonstige Gläubiger) beim Insolvenzgericht Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen können, wenn sie ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und ihre Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft machen (§ 14 Abs. 1 InsO).

In der Praxis bedeutet dies, dass jeder Gläubiger, dessen fällige Forderung über einige Wochen hin nicht bezahlt wird, einen Insolvenzeröffnungsantrag stellen kann, wenn er den Verdacht hat und diesen glaubhaft dem Gericht vermitteln kann, dass der Verein zahlungsunfähig ist.
Dies wird dem Gläubiger relativ leicht fallen, wenn der Schuldner einige Wochen nicht gezahlt hat, denn: gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO wird die Zahlungsunfähigkeit vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

II. Konsequenzen für die Liquiditätsplanung

Aus den obigen Ausführungen wird deutlich, dass neben einer Haushaltsplanung auch zwingend eine in die Zukunft gerichtete Liquiditätsplanung erforderlich ist. Dies bedeutet, dass man nicht nur für das jeweilige Haushaltsjahr alle Einnahmen und Ausgaben in den Haushaltsplan einstellt und darauf achtet, dass es zum Jahresende „aufgeht“. Wie oben gezeigt, liegt ein Insolvenzgrund auch dann vor, wenn für einen Zeitraum von mindestens drei Wochen Zahlungsunfähigkeit gegeben ist.

Es ist deshalb zusätzlich zum Haushaltsplan – der die Einnahmen und Ausgaben des gesamten Kalenderjahres unabhängig vom jeweiligen Zu- und Abflussdatum beinhaltet – auch eine Liquiditätsplanung pro Haushaltsperiode zu erstellen. In dieser ist – jedenfalls für jede Kalenderwoche – gegenüber zu stellen, welche Ausgaben und welche Einnahmen in dieser Woche anfallen. Stellt man durch diese Liquiditätsplanung fest, dass zu gewissen Perioden Ausgaben getätigt werden, die Einnahmen bzw. vorhandenen liquiden Mittel zur Begleichung dieser fälligen Verbindlichkeiten nicht ausreichen, so ist bereits weit im Vorfeld dafür zu sorgen, dass die Liquidität durch Aufnahme von Überbrückungskrediten oder durch die Verschiebung von Ausgaben auf einen späteren Zeitpunkt gewahrt bleibt.

Fazit:

„Illiquide Phasen“ sollte ein Vereinsvorstand auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Es handelt sich nicht nur um „unangenehme“ Perioden, sondern um knallharte Insolvenzgründe. Erholt sich der Verein wieder, kann man durchatmen. Erholt er sich nicht und muss (ggf. Jahr später) Insolvenz anmelden, droht die Katastrophe: Die Rechtsfolge ist Haftung des Vorstands mit seinem gesamten Privatvermögen. Übrigens können auch Dritte den Verein/Verband in ein Insolvenzverfahren bringen. Solche Phasen der Illiquidität sind daher unbedingt durch präventive Liquiditätsplanung zu vermeiden.

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