Wie legt man die Testamentsklausel „gleichzeitiges Versterben“ aus?

Viele Ehegattentestamente (sog. Berliner Testamente) enthalten Formulierungen wie „falls wir beide gleichzeitig versterben, gelten die obigen Anordnungen entsprechend“ oder „für den Fall, dass uns beiden gleichzeitig etwas passieren sollte, bestimmen wir…“. In diesen Fällen soll also der für den Tod des zweiten Ehegatten bereits angeordnete Schlusserbfall bzw. Nacherbfall sofort eintreten.

Ein echtes gleichzeitiges Versterben, dass für beide Ehegatten also der Tod in exakt derselben Sekunde eintritt, kommt in der Realität aber selten vor. Selbst bei schweren Autounfällen überlebt der eine Ehegatte den anderen oft um ein paar Stunden oder Tage. Diesen Fall wollen die Testamentsersteller aber auch abdecken. Gemeint ist mit dieser Formulierung also keine „echte“ Gleichzeitigkeit im wissenschaftlichen Sinn, sondern etwas anderes. Nämlich dass die Ehegatten so rasch nacheinander versterben, dass es unsinning wäre, wenn der eine Ehegatten den anderen zuerst beerbt, wenn auch nur für wenige Stunden oder Tage.

Auch die Rechtsprechung hat dies erkannt und legt solche Klauseln meist großzügig aus. Als Anwendungsfall der Testamentsklausel „gleichzeitiges Versterbens“ wird anerkannt, wenn zwischen dem Tod des ersten und dem des zweiten Ehegatten ein – auch längerer – zeitlicher Zusammenhang besteht und der überlebende Partner nicht mehr in der Lage war, das Testament einseitig abzuändern (BayObLG, NJW-RR 1997, 327; NJWE-FER 2000, 214). In dieser Entscheidung verstarben die beiden Testamentsersteller sogar erst im Abstand von mehreren Jahren (!), das Gericht hat aber dennoch einen „gemeinsamen Tod“ im Sinne der Testamentsklausel angenommen. Bei der Auslegung von Testamenten geht es ja allein um den Willen der Testatoren. Es gibt hier keinen „objektiven Empfängerhorizont“. Deshalb muss das Gericht bei der Auslegung auch nicht zu eng am Wortlaut kleben.

Dennoch ist es natürlich sinnvoll, die Formulierung im Testament so zu fassen, dass auch solche Auslegungsschwierigkeiten wegfallen. Die Testamentsersteller sollten den Begriff des „gemeinsamen Todes“ oder des „gleichzeitigen Versterbens“ selbst definieren, etwa „falls wir gleichzeitig oder auf Grund der selben Ursache kurz hintereinander versterben…“ Natürlich können die Erblasser auch einen bestimmten Zeitraum festlegen oder verschiedene Szenarien konkret beschreiben.

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