Wer sich als Wohnungseigentümer einen professionellen Mietbetrüger einfängt, büßt das ohnehin teuer: etliche Monate Mietausfall, Prozesskosten für Miet- und Räumungsklage sowie Renovierungskosten. Zu vollstrecken ist bei solchen Personen ja meist nichts, entweder weil sie rechtzeitig untertauchen oder ohnehin bereits Privatinsolvenz angemeldet haben. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 17.11.2005 (Az.: I ZB 45/05) nun wenigstens das sog. Berliner Modell der Zwangsräumung für zulässig erklärt. Der Vermieter spart dadurch bei der Vollstreckung des Räumungstitels wenigstens die Kosten für eine Möbelspedition und die Einlagerung der Gegenstände des Mietbetrügers.

Ein reales Beispiel:

Das Ehepaar Müller kauft eine Eigentumswohnung und will diese vermieten. Wie üblich finanzieren sie den Großteil des Kaufpreises über Bankkredit. Aus den Mietinteressenten wählen sie eine 45jährige Akademikerin aus, angeblich Privatlehrerin. Diese zahlt vor dem Einzug ein Drittel der Kaution (mehr muss der Mieter nach § 551 Abs. 2 BGB vor Einzug nicht zahlen) sowie die erste Miete, danach nichts mehr. Auf Anrufe und Mahnungen reagiert die Mieterin zunächst noch mit Ausreden, später dann gar nicht mehr. Den Briefkasten klebt sie zu und entfernt ihren Namen, so dass weder Mahnschreiben noch Gerichtspost zugestellt werden können. Nach vier Monaten Mietausfall hat das Vermieter-Ehepaar Probleme, den Bankkredit zu bedienen; die Bank droht daher mit Kündigung des Darlehens und Zwangsversteigerung der Wohnung. Die Auskunft des Anwalts ist der nächste Schock: der Räumungsprozess kostet 3.000 Euro, die Räumung durch den Gerichtsvollzieher nochmals 2.500 Euro. Das Geld wird bei der Mieterin kaum zu holen sein. Was tun?

Der Gesetzgeber hat scheinbar die Vorstellung: Vermieter sind reicher als Mieter und können daher ein paar Monate Mietausfall schon verkraften. Das deutsche Wohnraum-Mietrecht schützt daher vor allem den Mieter. Selbst wenn dieser mehrfach zu spät oder gar nicht zahlt, hat es der Vermieter schwer, wirksam zu kündigen. Die gesetzlichen Anforderungen an eine Mietkündigung sind hoch, der Gesetzestext ist verwirrend formuliert und auf ganz verschiedene Stellen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verteilt. Nur ein Beispiel: Der Paragraf, der die Kündigung durch den Vermieter regelt (§ 569 Abs. 3 BGB), enthält – ziemlich versteckt, nämlich 26 Paragrafen später – folgende Zusatzvoraussetzungen für eine sofortige Kündigung wegen Mietrückstands (die eigentlich in § 543 BGB geregelt ist):

„Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt: (1) Im Falle des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a ist der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. (2) Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete (…) befriedigt wird.“

Alles klar? In verständlicher Sprache bedeutet dies: Der Vermieter kann – auch wenn der Mieter mehrmals zu wenig Miete zahlt – nur dann aus wichtigem Grund kündigen, wenn der Mieter insgesamt mit mehr als einer vollen Monatsmiete im Rückstand ist. Der zweite Teil des Gesetzestextes ist noch überraschender: Selbst wenn der Vermieter bereits wirksam gekündigt und Räumungsklage erhoben hat, so wird diese Kündigung nachträg-lich wieder unwirksam, wenn der Mieter innerhalb von zwei Monaten ab Prozessbeginn die rückständige Miete nachträglich zahlt. Der Kündigungsprozess wird dann beendet, der Vermieter hat den unzuverlässigen Mieter nach wie vor in seiner Wohnung und meist beginnt das Spiel nach kurzer Zeit wieder von vorn. Hatte die Kündigung gar einen Formfehler, so ist sie unwirksam und der Vermieter verliert den Räumungsprozess. Ein teurer Spaß, denn der Streitwert – aus dem sich die Prozesskosten errechnen – beträgt bei Räumungsprozessen eine Jahresmiete.

Zurück zum Fall:

Da das Ehepaar selbst noch kein wirksames Kündigungsschreiben verfasst hatte, muss der Anwalt zunächst einmal formwirksam kündigen und das Schreiben beweissicher zustellen (bei zugeklebtem Briefkasten schwierig). Einschreiben haben hier meist keinen Erfolg: Einwurfeinschreiben sind nämlich keine Zustellungsgarantie und Rückschein-Einschreiben nimmt der Mieter erst gar nicht entgegen. Am besten wirft man das Kündigungsschreiben daher in Anwesenheit eines neutralen Zeugen in den Briefkasten oder schiebt dieses unter der Wohnungstür durch.

Zur Sicherheit fährt man auch beim Inhalt des Kündigungsschreibens mehrgleisig: Neben der außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB (wegen Mietrückstands) sollte man zusätzlich außerordentlich nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB (wegen Unzumutbarkeit) sowie daneben unbedingt auch noch hilfsweise „normal“ (also mit den regulären Kündigungsfristen) kündigen. So hat man gute Chancen, den Räumungsprozess auch dann noch zu gewinnen, wenn der Mieter die Zahlungsrückstände während des Gerichtsverfahrens begleicht. Zur Sicherheit sollte das Schreiben noch weitere Erklärungen und Hinweise enthalten, die Details würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Interessierte erhalten auf Anfrage unter mail@grafpartner.com ein Muster für ein anwaltliches Kündigungsschreiben. Doch Vorsicht: Jeder Fall ist anders, also bitte nicht einfach übernehmen!

BGH erlaubt ausdrücklich „Zwangsräumung ohne Möbel“: Hat der Vermieter den Räumungsprozess endlich gewonnen (nach bestenfalls drei, eher acht Monaten, während denen er weiterhin keine Miete erhält), dann geht der Ärger weiter: Das Urteil muss ja durch den Gerichtsvollzieher erst noch vollstreckt werden. Die meisten Mieter ziehen nämlich auch nach dem Urteil nicht freiwillig aus, sondern lassen sich zwangsräumen. Das dauert in der Regel weitere ein bis drei Monate. Beim Auftrag an den Gerichtsvollzieher sollte man seinen Anwalt bitten, die neue Rechtsprechung zum sog. „Berliner Räumungs-Modell“ anzuwenden. Das Problem ist nämlich folgendes: Zieht der Mieter nicht freiwillig aus, muss der Gerichtsvollzieher ja nicht nur ihn selbst (notfalls mit Hilfe der Polizei) aus der Wohnung holen, sondern auch dessen Möbel. Der Gerichtsvollzieher beauftragt also eine Umzugsfirma mit Abtransport und Lagerung der Möbel. Die Kosten hierfür (je nach Größe der Wohnung etwa 1.000 bis 3.000 Euro) verlangt der Gerichtsvollzieher natürlich – als Vorschuss – vom Vermieter. Vorher vollstreckt er das Räumungsurteil nicht. Gute Vermieteranwälte machen daher folgendes: Sie erklären, dass der Vermieter sein gesetzliches Pfandrecht (§ 562 BGB) an allen Möbeln geltend macht und beauftragen den Gerichtsvollzieher, alles stehen zu lassen und nur den Mieter selbst aus der Wohnung zu holen. Bisher haben das viele Gerichtsvollzieher abgelehnt, der BGH hat dieses Vorgehen aber per Beschluss vom 17.11.2005 ausdrück-lich für zulässig erklärt. Bei dieser Alternative hat man dann zwar die Möbel des Mieters in der Wohnung stehen und muss diese selbst verwerten bzw. entsorgen. Aber immer noch besser als Spediteur und Einlagerung zu zahlen. Und häufig nimmt der Mieter die Möbel dann eben doch in letzter Minute mit, wenn ihm klar wird, dass er andernfalls „ohne alles“ zwangsweise aus der Wohnung geholt wird.

Fazit:

Mietbetrüger (Mietnomaden) sind gottlob selten. Im Beitrag „Schutz des Vermieters vor Mietbetrügern“ zeigen wir, wie man potentielle Betrüger schon vor Vertragsabschluss effektiv aussortiert, nämlich durch Mieterselbstauskunft plus Arbeitgeberanfrage.

Wer sich aber als Vermieter dennoch einen solchen „Profi“ einfängt, verliert – selbst bei optimalem rechtlichen Vorgehen – mehrere Tausend Euro, denn von diesen Mietern ist meist nichts mehr zu holen, so dass er auf den Mietausfällen und Prozesskosten – trotz siegreichem Urteil – sitzen bleiben wird. Da solche Mietbetrüger ihre Rechte ganz genau kennen, auf Zeit spielen und alle prozessualen Tricks nutzen, kann der Schaden im Extremfall auch einen fünfstelligen Betrag erreichen. Durch schnelles und professionelles Vorgehen kann – und sollte – man den Schaden wenigstens erheblich begrenzen.

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Leitsatz der Entscheidung:

ZPO § 885

Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf eine Herausgabe der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht. Auch wenn in einem solchen Fall Streit zwischen den Parteien des Vollstreckungsverfahrens nach § 885 ZPO darüber besteht, ob alle beweglichen Sachen des Schuldners von dem Vermieterpfandrecht erfasst werden, hat der Gerichtsvollzieher nicht eine Räumung der Wohnung nach § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO vorzunehmen.

 

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